13
Nov 2015

Die Frustbürgerin blogt

Da sitzt sie nun, die Hunde hassende Frustbürgerin, und endlich hat sie eine Möglichkeit gefunden, der Welt ihre ganze Wut mitzuteilen: Das Internet! Ein Bekannter hat ihr gezeigt, wie leicht es ist, einen eigenen Blog zu installieren.

Am Berliner Alexanderplatz wird ein junger Student von drei Jugendlichen fast zu Tode geprügelt.

Mit nur wenigen Handgriffen hat sie es geschafft, ein Template zu installieren, das ihrer Wut und ihrem Frust den
richtigen Ausdruck verleiht. Die letzten Tage hat sie bereits damit verbracht, im Netz nach richtig widerlichen Fotos von Hunden zu suchen, die sie in ihren Blog einbauen kann.

In Syrien bombardieren russische Kampfjets ein Krankenhaus. 13 Menschen sterben.

Schnell noch ein Glas Valpolicella eingegossen und die Tori Amos CD eingelegt. So kommt die Frustbürgerin richtig in Stimmung. "Hunde verunreinigen Badeseen" titelt sie ihren ersten  Beitrag. Um das Unwesen mit den Kötern noch ein wenig fieser aussehen zu lassen, betreibt sie schnell noch ein wenig Feinschliff am vorliegenden Zahlenwerk.

Im Berliner Stadtteil Wedding schüttelt ein Vater seinen schreienden Säugling so heftig, dass dieser stirbt.

80 Tonnen Hundekot fallen jährlich allein am Grunewaldsee an, lügt sie sich die Zahlen zurecht. Selbst der Förster hatte nur von 60 Tonnen gesprochen - und sich dabei auf eine äußerst fragwürdige Diplomarbeit aus dem Jahre 2005 bezogen. Schnell noch einen Schluck Valoplicella. Haaach, wie schön die Tori Amos CD runterzieht! Da kann man gleich nochmal nachlegen.

Vor der Registrierungsstelle für Flüchtlinge kampieren hunderte Menschen bei Temperaturen nahe Null im Freien.

Tori-Amos-Valpolicella geschwängert fordert die Frustbürgerin die Registrierung der DNS aller Hunde im Stadtgebiet. Nur so könne man denjenigen Hundehaltern auf die Spur kommen, die die Hinterlassenschaften ihrer Drecksköter nicht beseitigt haben. Schnell noch mal ein Begrenzung der Zahl der Hunde hinterher schieben. Passt ja gerade, wenn man schonmal so richtig in Fahrt gekommen ist.

Am Roseneck rast ein Autofahrer mit 80 Km/h trotz roter Ampel in die Kreuzung, verursacht einen Verkehrsunfall, bei dem eine junge Mutter ums Leben kommt.

Dem Senat entgehen jährlich 19 Mio. Euro Hundesteuer, weil nicht alle Hunde angemeldet sind, saugt sie sich aus den valpolicellaroten Fingern. Der Taschenrechner, mit dem sie ausrechnen könnte, dass es sich dabei um mehr als 158.000 nicht registrierte Hunde handeln müsste, liegt zwar auf dem Tisch. Doch ein klein wenig zu weit weg, um noch das Gleichgewicht halten zu können, wenn sie danach greifen will - denn der Rotwein zeigt bereits deutlich seine Wirkung.

Volkswagen hat bei Abgasprüfungen massiv betrogen und damit hunderttausende Autokäufer hinters Licht geführt.

Ach, da fällt ihr doch noch die Hundeexpertin ein, die ein Interview im Tagesspiegel gegeben hat. Die hat gemutmasst, dass möglicherweise 50 Prozent aller Hunde schlecht erzogen seien. Das kann man nochmal schnell als Tatsachenbehauptung mit einfließen lassen. Wenn die Hälfte der Mistviecher schlecht erzogen ist, dann rechtfertigt das natürlich schärfere Gesetze. Dass Hunde, die mit vielen anderen Hunden in Kontakt kommen, wie es in Berlin der Fall ist, durchaus besser sozialsiert sind, als Kettenhunde vom Land, das lässt sie einfach mal unbeachtet. Prost.

Ein Leck in einer Pipeline des Ölkonzerns Shell hat weite Landstriche in Nigeria verseucht.

Schnell nochmal mit der Fernbedienung zu "Winter" auf der Tori CD skippen und weiter geht's. Hoppla, mit 1,8 Promille im Kopp ist das ja gar nicht mehr so einfach, so eine bekackte Blogseite vernünftig zu strukturieren. Darum hat die Hundehasserin ihre geistigen Blähungen jetzt gleich unter mehreren Rubriken in identischer Form gespeichert. Na, macht ja nix. Bei der BILD Zeitung wirkt auch nicht immer alles logisch. So, jetzt noch schnell ein paar Ergebnisse von ein paar Online-Umfragen rein kopieren und schon sieht die Seite echt professionell aus!

Bei einer Schießerei an einer Schule im US Staat Oregon sterben 10 Menschen.

So, denkt sich die Frustbürgerin, für heute habe ich genügend Tatsachen verbogen, und geht zu Bett. Dort weint sie sich leise in den Schlaf, während Tori Amos noch "Silent all these years" aus dem Wohnzimmer säuselt.

In Nepal droht nach dem Erdbeben im April hunderttausenden Menschen der Tod durch Erfrieren oder Verhungern in diesem Winter.

von Jens Tippenhauer

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